Zugegeben, wir alle schauen nur allzu gern Talkshows, in denen sich die Gäste zankend und ausführlich beschimpfend gegenüber treten. Deren Leid und Ärger sorgen für unser Wohlbefinden, indem wir uns an den wüsten Beschimpfungen und teilweise erbärmlichen Versuchen der Versöhnung erheitern. Ob im Vordergrund die Konfliktbewältigung der beteiligten Personen steht? Das glaubt wahrscheinlich nur der Gast(-schauspieler), der in seiner relativ kurzen Hauptrolle seine sämtlichen Drogen, - Alkohol- und Beziehungsprobleme offenbaren darf.

Wie oft hört man in solchen Talkshows entsprechende Einleitungssätze wie: „Du hast mich belogen und mit meiner Schwester betrogen.“ oder „Ich weiß nicht, ob ich der biologische Vater bin.“ Typischerweise stehen sich in solchen Situationen junge (Ex-)Pärchen (manchmal auch ältere) gegenüber und lassen die ganze Weltöffentlichkeit an ihren nichtigen Problemen teilhaben. Nicht selten wird da ein lang ersehnter Lügendetektortest am vermeintlich untreuen Partner ausprobiert. Zusätzlich streiten sich im Anschluss (und gerne auch davor) beide Seiten über die verschiedensten internen und intimen Dinge, die offenbar von nun an jeder wissen darf. Meist lässt das spöttische Gelächter aus dem Publikum auch nicht allzu lange auf sich warten.

Wem das als Zuschauer noch nicht reicht, der kann auch des Öfteren interessanten Auflösungen diverser Vaterschaftstests entgegenfiebern. Dabei muss die Frau der aktuellen Talkshowszenerie erklären, warum sie nicht mehr weiß, mit wem sie alles in vergangenen Tagen geschlafen hat. Nachdem das 99,999%-ige Testergebnis verkündet wurde, schwanken die Emotionen der prüfenden Männer abwechselnd zwischen “Ich-bring-mich-um” und “Heute-Abend-steigt-die-Party”. Die betroffene Frau und Mutter behauptet natürlich weiterhin selbstbewusst, dass das alles nicht stimmen kann. Felsenfest ist sie von ihrer Unschuld überzeugt. Vielleicht sollte sie gleich noch den Lügendetektortest machen.

Einige Verzweifelte da draußen suchen eine solche Talkshow auch auf, um eine Versöhnung mit dem Partner anzustreben. Es ist zwar durchaus denkbar, dass Ihr Partner aufgrund der Situation (Stichwort: öffentlicher Druck) wieder zu Ihnen zurückkehrt oder Ihnen vergibt (schließlich wird dieses von allen erwartet), aber meist ist das auf Dauer nichts Stabiles und Genaues. Lassen Sie es daher lieber sein, schwerwiegende Beziehungsprobleme in aller Öffentlichkeit mit Ihrem Partner zu diskutieren. Es ist und bleibt äußert unwahrscheinlich, dass Ihnen der Moderator, andere Gäste oder gar das Publikum helfen können. Die meist sehr oberflächliche Betrachtung Ihrer Situation macht es nicht möglich, dass einer der Anwesenden das Übel an der Wurzel packen kann. Oft sind Sie besser beraten, die vorhandenen Konflikte außerhalb solcher Talkshows zu bewältigen. Denn in der Regel endet der Auftritt nicht nur für den auslösenden Part in zahllosen Peinlichkeiten, sondern auch für den dazu genötigten Partner. Mitunter verschärfen sie die Situation nur zunehmendst und entfernen sich immer weiter von einer adäquaten Lösung Ihrer Probleme. Romantischer ist es, wenn Sie versuchen mit Ihrem Partner allein zu kommunizieren. Lassen Sie sich etwas Besonderes einfallen, ohne das Sie beide von der ganzen Nation ausgelacht werden. Solch ein Image wird man bekanntermaßen nicht so schnell wieder los.

Wenn Sie auf meine Meinung wert legen, dann missbrauchen Sie eine Talkshow höchstens für eine Liebeserklärung. Manchmal klappt das wunderbar und der- oder diejenige sind von Ihrem Mut begeistert. Zum ernsthaften Bewältigen von Beziehungskrisen ist eine solche Show eher nicht zu empfehlen. In der Regel zerstören Sie mehr, als sie retten können.